Titelreportagen Roboter mit Feingefühl

27.09.2013

Geht es um komplexe Montageaufgaben ist Handarbeit gefragt. Das kostet Geld und verleitet Unternehmen zum Auswandern. Eine neue Generation von Leichtbaurobotern soll nun die Automatisierung auch in diesem Bereich voranbringen.

Der Werker macht sich klein, klettert mit Werkzeug bewaffnet in die Karosserie eines Kleinwagens. Während er die Innenausstattung des Fahrzeugs montiert, verdreht er seinen Oberkörper, um an alle notwendigen Stellen zu gelangen, mitunter stößt er sich Knie, Ellenbogen oder Kopf. Das macht er hundert Mal am Tag. Es ist unbequem und kostet Zeit und auf kurz oder lang schadet es der Gesundheit des Arbeiters. Das Zukunftsszenario sieht anders aus: Ein kleiner Roboterarm schiebt sich durch die Karosserie und schraubt und klebt und nietet in Windeseile in allen Ecken. Der Werker kann seinen Rücken schonen. Steht ein Wechsel der Karosserie an, macht der Werker dem Roboter vor, wie er nun arbeiten soll. Was nach ferner Zukunft klingt, ist bei Kuka bereits im Entstehen: „Der LBR iiwa soll nicht mehr aufwändig programmiert werden müssen. Eine Bewegung, die ihm der Werker vormacht, merkt er sich und kann dann diese Tätigkeit beliebig oft wiederholen,“ sagt Christian Felkel, Produktmanager bei Kuka Roboter. Der Leichtbauroboter intelligent industrial work assistant - kurz LBR iiwa - soll, wie der Name schon impliziert, den Werkern assistieren und ihre Arbeit erleichtern. Mit seinen sieben Achsen und der schlanken Bauform ist er für die engen Verhältnisse bei der Endmontage in einer Autokarosserie wie geschaffen. Kein Wunder, beruht er doch auf den Erfahrungen, die mit seinen LBR-Vorgängern seit 2009 im Einsatz bei Daimler gemacht wurden. Dort hat der LBR4+ inzwischen eine halbe Million Hinterachsgetriebe montiert. Allerdings war er nicht für den Serieneinsatz ausgelegt und wird noch dieses Jahr durch den LBR iiwa ausgetauscht. „Auch hier zeigte sich wieder, dass die Industrietauglichkeit einfach das A und O ist,“ betont Felkel.

Starkes Fliegengewicht

Ein Leichtbauroboter in der Industrie ist ungewöhnlich, da er auf Grund seines geringen Gewichts nicht schwer tragen kann. Der LBR iiwa schafft es bei einem Eigengewicht von 22,3kg immerhin auf eine Traglast von sieben Kilo, die 29,5kg-Version kann sogar 14kg tragen. Aber die Endmontage in der Automobilindustrie soll nicht die Endstation des kleinen, gelenkigen Roboters sein. Als feinfühliger Werker ist er auch für Einsätze in der General Industry, also in allen Industriebereichen außerhalb Automobil, prädestiniert. Er ist als Basisprodukt gedacht, der in weiteren Varianten auch als Serviceroboter in der Medizintechnik oder in einem Hotel eingesetzt werden könnte. Möglich macht dies seine Feinfühligkeit, die ihn vor Kollisionen warnt. Das konnten Besucher bei seiner Premiere auf der Hannover Messe selbst testen: Ein individuell abgestelltes Wasserglas erkennt er rechtzeitig und stoppt, bevor Wasser verschüttet wird. Außerdem kann er ein 10kg-Gewicht so auf einer Waage ablegen, dass diese exakt 4kg anzeigt. Die Basis für diese Sensibilität sind Drehmomentensensoren, die in jedem Gelenk eingebaut sind. „Der LBR iiwa bildet den menschlichen Arm nach. Soll er hochperformante Bewegungen in Kooperation mit einem Menschen durchführen, müssen Kraft und Moment direkt im Roboter geregelt werden. So wird die Maschine nachgiebig, also feinfühlig,“ erklärt Dr. Ralf Koeppe, Bereichsleiter Forschung und Entwicklung von Kuka Laboratories. Das Zusammenspiel von Sensorik, Positions- und Nachgiebigkeitsregelung ermöglicht dem LBR iiwa mit Menschen Hand in Hand zusammenzuarbeiten.

Mit vereinten Kräften zum Ziel

Auch die Entstehung des LBR iiwa war ein Zusammenspiel. Nur durch die enge Zusammenarbeit aller Unternehmensbereiche konnte ein Leichtbauroboter entstehen, der industrietauglich ist, einfach bedien- und programmierbar und dessen Weg in die Service- und Medizinrobotik führt. Die Basis legte Kuka Robotics. Kuka Systems entwickelt zusammen mit Kuka Laboratories die Software für die Anwendungsprogrammierungen. „Es ist ein Plattformthema, bei dem zwischen den Entwicklungseinheiten bei Kuka sehr eng zusammengearbeitet wird und ein reger Austausch stattfindet,“ so Koeppe. Kuka Laboratories ist eigentlich auf nicht industrielle Applikationen ausgerichtet. Dass der LBR iiwa seine ersten Einsätze in der Industrie hat, sieht Koeppe als Vorteil: „Mit der Industrie als Background können wir die Serientauglichkeit und unser Qualitätsversprechen auch in die Servicerobotik transportieren.“

Komplexe Technik einfach zu bedienen

Für viele denkbare Anwendungen - egal ob in der Industrie oder außerhalb - muss der Leichtbauroboter mobil sein und sich von A nach B bewegen können. Dazu will Kuka ihn mit der hauseigenen OmniMove-Plattform intelligent verbinden. Auch dafür muss steuerungsseitig eine Basis bereitgestellt werden. „Diese sensorbasierte Kooperation und Interaktion mit dem Menschen erfordert neue Software-Paradigmen, die echtzeitfähig mit höchster Performance gerechnet werden“, erklärt Koeppe. Über eine neue Steuerungsoberfläche soll dies möglich sein. Sie wurde speziell für den LBR iiwa entwickelt und enthält laut Felkel die erforderliche Kompetenz. Gleichzeitig soll die Bedienung des Roboters aber einfach bleiben. „Wir wollen umfangreiche Funktionen und einfache Bedienung, wie man sie vom Smartphone gewohnt ist, vereinen,“ sagt Felkel. Das macht den Umgang mit dem LBR iiwa aus: Eine Bedienung, mit der man ihn schnell und einfach auf neue Aufgaben programmieren kann - ganz ohne Fachpersonal. Der Roboter wird somit zum mobilen Helfer, den man an jeder geeigneten Produktionsstation im Unternehmen flexibel als Kapazitätsausgleich zur Produktivitätserhöhung oder als temporäre Vertretung einsetzen kann.

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